Leseprobe:Heißes Thailand Kultur& Lust

Das forensische Museum

Das Forensische Museum

 

Der nächste Morgen! Ich fühle mich, als wäre ein 40 Tonner über mich hinweggerollt. Mundtrockenheit und quälender Durst! Mühsam rappele ich mich auf, und hieve meine schweren Glieder aus dem, mit edler Seide bezogenen Doppelbett, und mache mich auf die Suche nach Michelles Küche. Im Tran, und mit verschwommenen Blick, ramme ich mehrere Einrichtungsgegenstände, bevor ich in der Edelstahlküche der Hausherrin stehe. Aus dem Kühlschrank, mit integriertem Eiswürfelbereiter, nehme ich mir ein gut temperiertes Mineralwasser.

 

Ah!! Das erfreut meine ausgetrocknete Kehle, und ich fühle mich ein wenig besser. Ich wanke zurück in das prunkvolle Schlafzimmer, und beobachte meine tief schlafende Bettgefährtin. Nackt und mit angewinkeltem rechten Bein, liegt sie bäuchlings auf dem überdimensionierten Luxusbett. Sie trägt mittlerweile einen rosafarbenen Spitzenslip, den sie nach dem Malheur gestern Abend angezogen haben muss. Angeregt, bewundere ich ihre makellos rasierten langen Beine. Doch schlagartig muss ich an die gestrige Katastrophe denken und  verspüre wenig Lust auf eine Wiederholung. Leise sammle ich meine, vor dem Bett, verstreuten Klamotten auf und beginne vorsichtig damit mich anzuziehen. Ganz sachte, hauche ich der Französin einen Kuss auf die Wange und lege ihr einen Zettel, den ich zuvor in der Küche geschrieben habe auf den Mahagoninachttisch:“ Ich bin Frühstücken! Ein Freund hat angerufen! Bis später!“ Auf leisen Sohlen schleiche ich aus dem Raum, durchquere den Korridor und öffne die elektronisch gesicherte Eingangstür.

 

Schlagartig muss ich meine Augen zukneifen, denn es ist unglaublich hell! Über der gigantischen Glaskuppel steht die aufgegangene Morgensonne und schert sich einen Dreck, um meine noch an die Dunkelheit gewöhnten Pupillen. Willkommen du neuer Tag!!, denke ich leicht verschlafen, und mache mich auf den Weg zum gläsernen Prunkfahrstuhl. Unten angekommen, passiere ich die Rezeption, taumle durch eine elektrisch drehbare Tür, die ebenfalls aus Glas besteht und stehe plötzlich im morgendlichen Verkehrschaos. Quirlige kleine Asiaten, Motorräder, klapprige Trucks und halsbrecherische Taxifahrer hetzen und sausen an mir vorbei. Wie ein Fremdkörper, stehe ich inmitten von Menschenmassen, Essensständen und hupenden Blechkarawanen.

 

Dafür bin ich definitiv noch nicht bereit und sollte mir auf jeden Fall erst einmal ein nettes Cafe suchen, in dem ich als Europäer einen guten und vernünftigen Capuccino trinken kann. Den benötigt mein Körper  jetzt besonders dringend, um einigermaßen gut in den aufregenden Tag starten zu können. Doch die Suche gestaltet sich etwas schwierig in dem wahnsinnigen Trubel. Fast eine Stunde bin ich in der brütenden Hitze unterwegs, bevor ich schließlich fündig werde. Schwitzend und geschlaucht, lasse ich mich in einer gemütlichen Ecke des Cafes nieder, schlürfe meinen erstaunlich gut zubereiteten Cappuccino, und schmiede einen Plan für die weitere Tagesgestaltung. Das Nationalmuseum, den Grand Palace und den Wat Arun habe ich schon gesehen. Irgend etwas außergewöhnliches müsste es sein. Plötzlich fällt es mir wieder ein. Vor Jahren, hatte ich davon gelesen, dass es im Bangkok Hospital ein forensisches Museum gibt. Dort sind hinter Glasvitrinen die Schädel und Gebeine von Mordopfern ausgestellt. Sogar präparierte Hingerichtete, sollen dort hinter Glas zu sehen sein. Genau der richtige Einfall, um meinen Tag sinnvoll zu gestalten, finde ich. Ich schlürfe den Rest vom Cappuccino, lächele die Bedienung freundlich an, bezahle das Getränk und mache mich auf den Weg, um einen Taxifahrer zu finden.

 

Gesagt, getan! Schon sitze ich in einem gelben Toyota Taxi, und bitte meinen Chauffeur das Taxameter anzustellen. Dann nenne ich mein Fahrtziel, das Siriray Hospital, in der Nähe der Thonburi Railstation und dem königlichen Barkenmuseum. Somchai, mein redseliger Chauffeur, fängt an zu faseln, und Fußball ist ganz klar sein Lieblingsthema. „You know Ballac,“ Beckenbauer?“ fängt er an mich zu nerven, denn ich bin weiß Gott kein Fußballfan. Dafür habe ich früher in der Schule eindeutig zu viele Bälle in mein Antlitz bekommen. Seitdem hasse ich Fußball wie die Pest, besonders diesen Kult, der immer wieder darum zelebriert wird. Und die Gewalt, die damit zusammenhängt. Aber egal!

 

Nachdem wir uns durch das unglaubliche Verkehrsgewühl der Metropole Bangkok gekämpft haben, erreichen wir den riesigen Hospitalkomplex. Ich folge den Hinweisschildern „Museum“ durch das beeindruckende Areal. Es gibt dort auch noch das anatomische und das Parasitenmuseum zu bewundern. Als erstes, fallen mir große Schilder auf, die darauf hinweisen, dass das Fotografieren absolut verboten sei. Ich löse mein Ticket für sensationell günstige 80 Baht, und betrete das Kabinett des Schreckens. Eine Gruppe junger Medizinstudentinnen, die makellos weiße Blusen tragen, drängelt sich neugierig und lächelnd durch die Gänge. Hierzu möchte ich anmerken: Wer jemals in Deutschland die Körperwelten des Künstlers „Gunther von Hagens“ besucht hat, der menschliche Körper plastiniert und davon schon schockiert war, der sollte das Forensische Museum in Bangkok lieber nicht durchqueren, denn die Körperwelten sind ein Witz dagegen. Ich erinnere mich noch genau an den Aufschrei von Kirchen, Politikern und Moralisten, ob man so etwas zulassen soll oder darf. Nun gut, Bangkok ist nicht Deutschland! Und das Forensische Museum ist das krasseste, was ich bisher gesehen habe! So etwas gibt es in Deutschland nicht und wird es auch nie geben. Allein schon aus diesem Grund, darf ich mir die Ausstellung nicht entgehen lassen.

 

Ich passiere Vitrine 1: Eingelegt in Alkohol, sehe ich einen Fuß, der bei einem Motorradunfall abgerissen wurde!! Schön!! Man kann die einzelnen Sehnen, Fasern, oder was auch immer das ist, sehen! Sehr unappetitlich!

 

Vitrine 2: In einem Glas ist ein Fötus, samt der Reste der Nabelschnur eingelegt. Das Köpfchen ist ziemlich eingedrückt! Mein Blick fällt auf einen Zettel, der unten an der Vitrine angebracht ist, und der mir weitere Informationen gibt, die ich eigentlich nicht wissen will. Mutter und Kind wurden auf dem Beifahrersitz getötet, nachdem ihr Wagen in einen Betonstrommast gerast ist. Anbei ein nettes Foto vom grausigen Geschehen!

 

Vitrine 3: ein menschlicher Schädel......die Schädeldecke hat ein gezacktes großes Loch.....ein roter Plastikpfeil auf dem Schädel weist darauf hin. Neben dem Schädel liegt die Tatwaffe......eine Axt!!

 

So langsam verspüre ich ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend, und mein Darm verkrampft sich auch etwas. Aber wer wird denn schwächeln!! Ich bin ein Mann, und vor mir gehen die nun kichernden Medizinstudentinnen. Dazu gesellen sich jetzt auch noch 9-10jährige Kinder. Unglaublich!! Man stelle sich dies einmal in Europa vor!! Aber der Tod hat in Thailand eine andere Bedeutung und wird gerne ausgiebig bestaunt. Weiter geht es durch das Horrorkabinett!!

 

Vitrine 4: Ein kleiner unscheinbarer Tischventilator aus Metall. Sieht harmlos aus. Stand dummerweise nur komplett unter Strom. Der Besitzer hat es nicht überlebt!

 

Kann ich noch? Na klar nur keine Schwäche zeigen!

 

Vitrine 5: Ein riesiger Glaskasten. Darin steht aufrecht ein völlig verkohlter Körper. Mit seinen verbrannten Füßen, steht er in einer kleinen Blechwanne, in der sich sein komplettes Körperfett angesammelt hat! Ich lese auf dem Beipackzettel, dass es sich um eine Hinrichtung handelt! Früher wurden die zum Tode Verurteilten lebendig geröstet.

 

Nun ja! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich heute Abend noch etwas Gegrilltes wie Hähnchenschenkel oder ähnliches zu mir nehmen will! Diese Assoziation ist nicht förderlich für die Gesundheit meines Magens. Also schnell weitergehen und sich nichts anmerken lassen!! Nur die Harten kommen in den Garten!!

 

Vitrine 5: Gewehrkugel.....eingedrungen in die Brust des Opfers....der Plastikpfeil auf dem herausgeschnittenen Stück Brustfleisch zeigt die Schmauchspuren!!

 

Vitrine 6: Stich in das Herz. Eine Nadel, mit einem Stück Plastik darauf, steckt im Einstichkanal, um auf diesen hinzuweisen.

 

So langsam habe ich genug! Aber den Medizinstudentinnen, und den 10 jährigen Kindern, macht das alles anscheinend nichts aus. Die kichern immer noch! Vielleicht auch deshalb, um das Gesehene verarbeiten zu können. Oh sole Mio! Und weiter geht es mit dem Rundgang!

 

Rechter Hand von mir, befindet sich ein Diorama. Tsunami Opfer am Strand! Natürlich nicht echt! Nein, sie sind aus Kunststoff nachmodelliert. Dafür ist gleich nebenan ein Kino. Die Studentinnen, und die Kinder stürmen hinein. Es läuft ein Film über die Tsunami Katastrophe. Sehr wissenschaftlich und besonders detailreich!!

 

In der Pathologie eines Krankenhauses, liegt auf einer Stahlliege ein grotesk aufgeblähter Körper, der schon schwarz, blau angelaufen ist. Dessen Bauchdecke wird nun von einem blitzenden Skalpell der Länge nach aufgeschlitzt, so dass ekelhafter, schaumig gelblicher Glibber herausläuft. Mir wird endgültig schlecht! Die Studentinnen, und die Kinder verziehen keine Miene. Zwei Jungs sehen den Film wohl als eine Art Mutprobe! Mir langt es! Außerdem bläst mir die Klimaanlage schon die ganze Zeit, mit gefühlten 10 Grad, in meinen verschwitzten Nacken. Ich muss schnellstmöglich raus hier! Fluchtartig, verlasse ich die Tiefkühlkammer und passiere die letzten Ausstellungsstücke, einen abgerissenen Arm, der über Asphalt geschleift wurde, einen Fötus mit zwei Köpfen, ein Foto das eine erstochene Schwedin am Strand zeigt.....gleich daneben liegt die Tatwaffe....ein langes Messer!

 

Grässlich! Heute Nacht werde ich bestimmt schön träumen! Freilich muss ich zugeben, dass ich für die 80 Baht Eintrittsgeld schon sehr viel geboten bekomme! Das Preis - Leistung - Verhältnis stimmt jedenfalls!! Ich nähere mich dem Ausgang der forensischen Abteilung aber es geht gleich noch weiter, mit dem Parasitenmuseum. Dieses, ist auch noch im günstigen Eintrittspreis mit inbegriffen. Also werde ich meine Augen auch noch mit dieser Ausstellung verwöhnen. Bezahlt ist Bezahlt!! Ein weiterer Anschlag auf mein körperliches Wohlbefinden!!

 

Schon bin ich drinnen und betrachte interessiert einen abgelichteten Anus. Auf dem Foto kann man erkennen, wie eine ganze Armada sogenannter Spulwürmer aus demselbigen kriecht. Widerlich!

 

Danach bewundere ich eine nachgebildete Dschungellandschaft, in der ein kleines Bambushüttendorf steht. Auf einem kleinen Metallschild steht, dass es sich um ein Dorf im burmesischen Grenzgebiet handelt. Daneben sehe ich einige Fotos, die einen Dorfbewohner, mit einem grotesk angeschwollenen Fuß und Bein zeigen. Der Mann hat Elephantiasis!! Sieht wirklich schlimm aus. So etwas möchte ich nicht haben! Nicht wirklich! Elephantiasis ist eine abnorme Vergrößerung eines Körperteiles, das durch Schwellungen der Lymphknoten und Bahnen im Bindegewebe ausgelöst wird. Meist sind die Beine oder äußeren Geschlechtsteile betroffen. Es ist oft eine Spätfolge verschiedener Infektionen, die unter anderem durch Fadenwürmer ausgelöst werden. Die Würmer gelangen durch den Stich einer Stechmücke in das lympathische System, und verursachen dort eine chronische Entzündungsreaktion mit Lymphstau, wodurch es mit der Zeit zu einer extremen Vergrößerung und Verhärtung der Haut kommt.

 

Erleichtert, dass es mir bei so einem Anblick doch noch wirklich gut geht, schlurfe ich langsam weiter, doch urplötzlich, fühlt sich mein rechtes Bein sehr viel schwerer an. Anscheinend leide ich an einer krankhaften Suggestion!!

 

Nun sehe ich ein nachgebildetes Stück Fleisch, das an einem Haken über einem nachgebildeten Marktstand hängt. Über das Fleischstück, dessen Farbgebung schon ungesund wirkt, kriechen ein paar fette Maden. Aber alles ist ja nur aus Kunststoff gefertigt. Lächerlich!! So etwas soll mich noch schocken?? Nach meinen vorherigen, visuellen Erlebnissen? Da müssen die schon noch schwerere Geschütze auffahren!! Plastikfleisch!! Pah!!